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Der alte Teddy

Sie hatten den alten Teddybären auf den Dachboden gebracht. Zusammen mit ein paar von Davids alten Hosen, die ihm zu klein waren und ein paar von seinen alten Schuhen, die ihm auch zu klein waren, hatten sie ihn in einen Pappkarton geworfen und oben auf den Dachboden getragen, wo es staubig war und dunkel. Er war David auch zu klein geworden, oder besser gesagt, David war zu groß für ihn geworden und brauchte ihn nun nicht mehr. Der Teddy hatte es ja kommen sehen. Zuerst war er noch geduldet im Zimmer. Er durfte zwar nicht mehr zu ihm ins Bett, aber er durfte im Regal sitzen, und später dann ganz oben auf dem Schrank, hinter den dicken Büchern. Aber er wußte, daß seine Tage gezählt waren. Er wußte es, weil er lebendig war. Natürlich bestand er nur aus Stroh und künstlichem Fell, ein Fell, das durch jahrelanges Streicheln und durch die mehr oder weniger sanften Liebkosungen eines ängstlichen kleinen Jungen abgewetzt und fadenscheinig war.

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Sein rechter Arm hing nur noch an einem Faden und sein rechtes Auge hatte er verloren, irgendwann einmal, beim wilden Spiel mit David im Garten. Das machte aber nichts, denn er sah ja nicht mit dem Auge, er sah durch seine Seele. Er hatte eine Seele, denn er war lebendig, lebendig geworden durch die Liebe, die ihm ein kleiner Junge gab, viele Jahre lang. Und diese Liebe konnte er zurückgeben, er konnte Trost spenden, er konnte Geborgenheit geben, er wachte, wenn David schlief und er war da, wenn David weinend aus einem schlimmen Traum erwachte.
Der Bär lag nun einsam in seiner Kiste auf dem Dachboden und beobachtete, wie es Nacht wurde. Von seinem Platz aus konnte er zum Dachfenster hoch sehen, er konnte sehen, wie die Wolken vorüberzogen, wie der Regen manchmal an die Scheibe trommelte und er konnte nachts die Sterne sehen. Das Licht der Sterne fiel auf sein Auge und es schimmerte darin in einem sanften Glanz.

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Er lag viele Jahre da, Staub legte sich auf sein Fell und im Winter nagte die Feuchtigkeit an seinen Sägespänen. David wohnte nicht mehr im Haus, er führte nun ein eigenes Leben, aber manchmal kam er zu Besuch. Auf den Dachboden kam er nie. Der Bär erinnerte sich an die heißen Tränen, die sein Fell benetzten, wenn David traurig war, an das goldene Lachen, das durch das Zimmer hüpfte, wenn er glücklich war, an die langen Nächte an seiner Seite, an seine Wärme, an seine Liebe, die Liebe, die ihn lebendig gemacht hatte und die er zurückgegeben hatte, wann immer er es konnte. Nun konnte er sie niemandem mehr geben, denn es war niemand da, und die Liebe, Davids Liebe, sie verschwand im Lauf der Jahre aus seinem Körper, denn sie wurde nicht mehr gebraucht.
Und eines Nachts, als das Licht der Sterne wieder durch das Dachfenster fiel, schimmerte es nicht mehr. Das Auge des alten Teddybären war stumpf geworden.

(c) Bernd Walf

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